Beschränkung der Rissbreite:

 

Für ein Wohnhaus berechnete ich die Bewehrung für Bodenplatte und Kellerwände und gab in Plänen den mir sehr hoch erscheinenden Bewehrungsgrad von ca. 4,24 cm²/m an (das sind Matten mit der Bezeichnung Q 424). Ich wurde von einem Statiker belehrt, dies sei zu wenig und man schickte mir eine mustergültige Berechnung „Nachweis zur Beschränkung der Rissbreite nach DIN 1045-1“. Mit Interesse nahm ich entgegen, dass für eine Kellerwand 7,4 cm²/m „erf. Rissebewehrung je Seite kreuzweise“ errechnet wurden. Und für die Bodenplatte gar 8,7 cm²/m. Das ist gerade die doppelte Menge an Matten.

 

Was wurde eigentlich berechnet?

 

„Zwischenergebnisse und Ergebnisse“ gibt uns Aufschluss.

 

Zuerst wird ein „Wirkungsbreich der Bewehrung“ (Ac,eff) errechnet, „der in den meisten Fällen mit dem 2,5-fachen des Randabstandes der Bewehrung zu bestimmen ist“. Eine sehr schwammige Annahme - „in den meisten Fällen“, gibt es auch andere Fälle? (in den Zitaten werden einige Passagen von mir kursiv angelegt und unterstrichen, damit die Sprache der Zufälligkeiten deutlicher wird).

 

Dann berechnet man fct,eff, die „wirksame Zugfestigkeit des Betons zum betrachteten Zeitpunkt der Rissbildung, hier überschlägig mit 50 % der mittleren Zugfestigkeit nach 28 Tagen angesetzt.“ Es wird also eine „mittlere zentrische Zugfestigkeit des Betons“ (fctm) willkürlich mit einem Faktor 0,5 multipliziert. Warum nicht mit 0,6 oder 0,4 – oder noch besser mit 0,46321, damit es wissenschaftlich aussieht?

 

Aus den beiden sehr ungefähr ermittelten Zahlen entsteht auf einmal eine „effektive Risskraft“ (Fcr,eff), die mit einer später zu ermittelnden „Risskraft je Innen- und Außenseite des Bauteils“ (FS) zu vergleichen ist (Fcr,eff<FS).

 

Als Vorbereitung zur Bestimmung einer Risskraft wird vorerst eine Fläche ausgerechnet – der einzige sinnvolle Rechengang in dem gesamten Werk: Act („Querschnittsfläche des Bauteils pro Meter) entsteht als Produkt von Breite (0,25 m) mal Länge (1,0 m) – also 0,25 m².

 

Dies 0,25 m² (pro 1 Meter Länge) werden nun ausführlich multipliziert mit verschiedenen Zahlen. Damit man auf eine Kraft kommt, muss man nach dem uralten Gesetz „Spannung gleich Kraft pro Fläche“ umformen zu „Kraft gleich Spannung mal Fläche“. Die Fläche ist ermittelt. Die Spannung heißt aber „wirksame Zugfestigkeit des Betons zum betrachteten Zeitpunkt …“ (s. weiter oben fct,eff).

 

Damit es nicht so banal ausgeht, wird das Produkt „Spannung mal Fläche“ mit verschiedenen Faktoren versehen:

 

kc: „Beiwert zur Berücksichtigung des Einflusses …“ – zum Glück hier eine „1“ – da kann man nicht meckern,

 

k: „Beiwert zur Berücksichtigung nichtliniear verteilten Betonzugspannungen …“, der unterscheidet zwischen Bauteilen, die kleiner als 3 Meter oder kleiner als 8 Meter groß oder lang sind. Einmal Faktor 0,8, dann Faktor 0,5. Das ist immer so elegant bei den Beiwerten: bis 2,99 Meter hat die Kraft einen bestimmten errechneten Wert, zwei Zentimeter später, bei 3,01 Meter nimmt plötzlich die Kraft um 62,5 % ab.

 

Nun ist die „Risskraft des gesamten Querschnitts pro Meter“ (Fcr) berechnet. Mit „mittleren“ und „überschlägigen“ Grundparametern, multipliziert mit fragwürdigen Beiwerten – aber alles nach Norm. Um das Ergebnis ernst nehmen zu können, muss man Fähigkeiten zum Glauben haben.

 

Schnell wird die ermittelte Kraft durch zwei dividiert, damit sie an Innen- und Außenseite des Bauteils wirken kann (FS) und man nimmt zur Kenntnis, dass auf jedem Meter 0,13 MN ziehen – das sind in verständlicher Sprache 130 kg.

 

Zur Aufnahme dieser Kraft braucht man Stahl. Es sind berechnet 7,4 cm²/m. Wieder aus der alten Formel „Spannung gleich Kraft mal Fläche“ traut man also dem Stahl eine Spannung von 175,7 N/mm² zu (0,130 / 7,4 = 0,0176 MN/m²). Betonstahl hat eine Streckgrenze (da geht er endgültig kaputt) von 500 N/mm² - hier möchte ich nicht näher eingehen auf die höchst komplizierten Zusammenhänge von Sicherheitsbeiwerten usw., natürlich darf man den Stahl nicht so hoch belasten, bis er bricht oder zerreißt.

 

Die Berechnung ist eine Fiktion – hat nichts mit der Wirklichkeit zu tun. Der einzige Zahlenwert, aus dem die Kräfte im Berechnungsgang entstehen, ist die „mittlere zentrische Zugfestigkeit des Betons“, die mal weniger und mal mehr sein kann – man schaue sich nur ein Betonbauteil in seiner Entstehung an. Der wahre Sinn der undurchsichtigen Berechnung liegt darin: wenn irgendwann Risse in einem Stahlbetonbauteil auftreten – und diese treten immer auf – dann kann man sagen, man habe nach DIN berechnet und habe deshalb keine Schuld.

 

Mit äußerster Vorsicht betrachte ich „Berechnungen nach DIN“. Dennoch fertigte ich Pläne an, in denen die Berechnung mit 7,4 cm²/m für die Wände und 8,7 cm²/m für die Bodenplatte berücksichtigt wurden. Am besten wäre, man legt Stahlplatten in die Betonbauteile.

 

Überall hört man von der „Nachhaltigkeit“ gebauter Objekte. Diese Stahlmengen werden verbraucht, um in der für die Lebensdauer eines Gebäudes relativ kurzen Zeit des Austrocknens des Betons die Rissbildung zu verhindern.

 

 

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